Prekarisierung treibt extremistische Parteien

Birmingham (02.02.2022) –

Die Ängste des Prekariats, der neuen Unterschicht mit unsicheren, schlecht bezahlten Jobs, dürften mit dem Aufstieg extremistischer Parteien in Europa zusammenhängen. Das zeigt eine Studie der University of Birmingham http://birmingham.ac.uk . Bei den Wahlen 2017 in Frankreich und den Niederlanden gab es demnach einen Zusammenhang zwischen der Unterstützung für radikale Rechts- und Linkspopulisten und der fehlenden wirtschaftlichen Sicherheit dieser Bevölkerungsschicht. Diese fühlt sich abgehängt und wendet sich von traditionell etablierten Parteien ab.

Ängste helfen Populisten

Was die einen Flexibilisierung nennen, bedeutet für andere existenzielle Ängste aufgrund einer geringeren Jobsicherheit sowie gefühlten Unsicherheiten bezüglich der Arbeitssituation und Bezahlung. Und genau diese Faktoren haben tatsächlich politische Auswirkungen, so Studienleiterin Lorenza Antonucci. “Radikale populistische Parteien nutzen die Unsicherheit der Menschen aus, die das Prekariat bilden, wobei linke Parteien eine Anti-Austeritäts-Lösung für die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt vorschlagen und rechte Parteien eine Form von chauvinistischem Arbeitsmarktschutz für Bürger fördern.”

Die Analyse der Wahlen 2017 hat ergeben, dass Unsicherheiten zu Arbeitssituation und Bezahlung, wie fehlende Aufstiegschancen, schlechte Bezahlung und fehlender bezahlter Krankenstand, es sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden zwei- bis dreimal so wahrscheinlich macht, dass jemand radikale Populisten wählt – wobei hier Rechte wie Linke profitieren. Mangelnde gefühlte Jobsicherheit, was neben der Entlassung auch die Angst vor Stundenreduktionen umfasst, hilft vor allem der radikalen Rechten. In Frankreich war das besonders ausgeprägt, die Wahrscheinlichkeit einer Stimme für Parteien wie den Front National (mittlerweile Rassemblement National) stieg auf das 7,5-Fache.

Verbreitetes Phänomen

Zwar hat die Analyse den Zusammenhang zwischen wachsendem Prekaraiat und erstarkenden Extremisten nur für Frankreich und die Niederlande direkt nachgewiesen. “Die Prekarität der Arbeitsbedingungen könnte auch populistisches Wahlverhalten in anderen europäischen Ländern erklären”, betont allerdings Antonucci. Sie spielt auch darauf an, dass schon das “Ja” zum Brexit 2016 durchaus ein durch die Prekarisierung der Arbeit getriebenes populistisches Votum gewesen sein mag.

Zur Studie “What’s Work Got to Do with It? How Precarity Influences Radical Party Support in France and the Netherlands”: http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/13607804211020321

Thomas Pichler,
pichler@pressetext.com

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