Brasilien: Noch viele schmutzige Agrar-Exporte

Belo Horizonte (20.07.2020) –

Boomende Soja-Importe der Europäische Union aus Brasilien sind zu einem nicht unerheblichen Teil mit dem Makel der Umweltzerstörung behaftet. Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universidade Federal de Minas Gerais http://ufmg.br (UFMG) hat festgestellt, dass um die 20 Prozent der steigenden Soja-Ausfuhren des Landes in die EU mit illegaler Abholzung in Verbindung stehen. Bei den Fleisch-Exporten sind es 17 Prozent. Allerdings: Die Mehrheit der brasilianischen Landwirte arbeitet in dieser Hinsicht eigentlich sauber.

Wenig Missetäter, große Wirkung

Eine Mio. Hektar abgeholzter Wälder in jüngster Vergangenheit bedeuten laut Untersuchung den Höchstwert seit einem Jahrzehnt. Dabei sind dem in “Science Today” veröffentlichten Bericht zufolge nur zwei Prozent der landwirtschaftlichen Exporteure für 62 Prozent der illegalen Abholzung verantwortlich. Damit sorgen sie allerdings für die oben genannten Prozentzahlen bei in die EU exportiertem Soja und Fleisch. Positiv hoben die Forscher hervor, dass sich 80 Prozent der brasilianischen Landwirte an die Forstgesetzgebung halten, also eine landwirtschaftliche Produktion ohne Abholzung und somit eine saubere Exportwirtschaft in Reichweite sei.

Die illegale Abholzung ein paar schwarzen Schafen in die Schuhe zu schieben, greift jedoch zu kurz. Laut Bericht halten sich satte 45 Prozent der Betriebe im Amazonasgebiet und 48 Prozent derjenigen in den Cerrado-Savannen, die Soja und Fleisch für den Export produzieren, nicht an die Abholzungsregeln des brasilianischen Forstgesetzes. Von 53.000 Soja-Betrieben in diesen beiden Regionen haben 20 Prozent Soja auf Land angebaut, das nach 2008 gerodet worden ist. Die Studienautoren schätzen, dass die Hälfte davon auf kürzlich illegal abgeholztem Land produziert worden ist.

Großes Handelsvolumen

Mit 13,6 Mio. Tonnen stammen knapp 41 Prozent des von der EU jährlich importierten, häufig als Tierfutter verwerteten Sojas aus Brasilien. Davon wiederum kommen 69 Prozent aus der Amazonas- oder Cerrado-Region. Dem Bericht zufolge haben im Untersuchungszeitraum zwei Mio. Tonnen Soja den EU-Markt erreicht, die von Betrieben angebaut wurden, die illegale Abholzung vornahmen. 500.000 Tonnen davon kamen demnach aus Amazonien.

“Bisher behaupteten die Agrarindustrie und die brasilianische Regierung, dass sie weder die gesamten Lieferketten überwachen, noch legale von illegaler Abholzung unterscheiden könnten”, erklärt Hauptautor Raoni Rajão (UFMG). Dies gelte nun nicht mehr, da die Forscher auf frei verfügbare, umfassende Daten zurückgegriffen hätten. Dabei nutzten sie leistungsstarke Software, um 815.000 landwirtschaftliche Betriebe daraufhin zu analysieren, ob deren Soja- und Fleischproduktion mit illegaler Abholzung einhergeht und in welcher Größenordnung die Waren in die EU gelangen.

Politik pro Rechtsbruch

Trotz der enormen Bedeutung des brasilianischen Regenwaldes für das Weltklima rief die Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro, der Anfang 2019 ins Amt kam, zur Abholzung von Wäldern auf privatem und öffentlichem Grund auf – unter Missachtung geltender brasilianischer Forstgesetze. Die EU plant indes politische Maßnahmen, um den Import von Waren zu verbieten, die aus illegaler Abholzung stammen. Brasiliens Regierung hat erst vor wenigen Tagen auf stetig wachsenden Druck ausländischer Investoren und heimischer Unternehmen reagiert und die Brandrodung zumindest im Amazonas-Gebiet und der Region Pantanal für 120 Tage verboten.

Die Macher der Studie hoffen, dass sich der politische Wind im Land nachhaltig dreht und Brasilien im Sinne eines erfolgreichen Handels die strengen Umweltstandards der EU zum Anlass nimmt, um die eigenen Waldschutzgesetze endlich effektiv in die Tat umzusetzen. Dafür bräuchte es aus Sicht der Forscher nur den politischen Willen.

Dass die Zerstörung des brasilianischen Regenwalds durch Brandrodung nicht nur der Umwelt, sondern langfristig auch der Wirtschaft des Landes schadet, haben auch andere Forscher bereits geäußert (pressetext berichtete: http://pte.com/news/20190829003 ).

Lutz Steinbrück,
steinbrueck@pressetext.com

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